Ein großer Europäer

Die Welt verneigt sich vor einem großen Europäer. Bundeskanzler Helmut Kohl wurde am 1. Juli 2017 in Speyer zu Grabe getragen. Er war nicht nur der Kanzler der deutschen Einheit, sondern ein europäischer Staatsmann, der über den Nationalstaat und die Grenzen seiner eigenen Amtszeit hinausdachte. Er wusste, dass die deutsche Nation nur in einem gemeinsamen europäischen Haus wiedervereint werden konnte und dass die Spaltung nicht nur eine deutsche war, sondern eine europäische. Der Staatsakt, der ihm zuteil wurde, fand folgerichtig in Straßburg statt. Denn die deutsch-französische Freundschaft war der Dreh- und Angelpunkt für Kohls Deutschland- und Europapolitik.

Bildquelle: © European Union 2017

Sein Wirken mag im Inneren Höhen und Tiefen gekannt haben. Seine Größe, die Chance der Wiedervereinigung erkannt und genutzt und Deutschland so in Europa verankert zu haben, dass es verträglich und erträglich bleiben konnte für seine Nachbarn, ist unumstritten. Er wusste um die Notwendigkeit der Selbstbindung Deutschlands durch seine konsequente Europäisierung. Nur so können Frieden und Einheit in Europa von Dauer sein.

Helmut Kohl ist aus einer Welt gegangen, die längst nicht mehr die seiner Regierungszeit war. Nach 1998 hat es epochale Brüche gegeben, die nicht ohne Folgen für die deutsche und die europäische Politik und für Deutschlands Ort in Europa geblieben sind. Die Gültigkeit der Grundsätze seiner Deutschland- und Europapolitik besteht aber unverändert fort. Deutsche Politik verließ zu seiner Zeit niemals den europäischen Geleitzug. Manche Entwicklung der jüngeren Vergangenheit muss daher beunruhigen. Die Politik sollte parteiübergreifend nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Eine selbstkritische Beschäftigung mit Kohls Erbe ist dringend geboten.

Der erste europäische Staatsakt ist auch mit Blick auf die allmähliche Herausbildung einer europäischen Identität bemerkenswert. Denn nicht nur die Deutschen nahmen Anteil an Helmut Kohls Tod. Gemeinsame Zukunft entsteht dort, wo kollektive Erinnerung verbindet. Helmut Kohl war kein Mann der Vergangenheit. Mit seinem Tod hat er die Grenzen einer überkommenen Nationalstaatlichkeit, wie sie vor allem das 19. und das frühe 20. Jahrhundert geprägt hat, endgültig überwunden. Dass dies in seinem Sinne war, darf sehr wohl angenommen werden. Und es ist kein Abschluss, sondern ein Anfang. In diesen Tagen öffnet sich ein neues Fenster.

Helmut Kohl war fast 40 Jahre Mitglied der überparteilichen Europa-Union Deutschland. Unsere Gedanken sind bei seiner Ehefrau und Familie.

Die Pressemitteilung von Norbert Herhammer, Landesvorsitzender der Europa-Union Rheinland-Pfals, finden Sie hier.